Häufig gestellte Fragen
Hier finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zu juveniler idiopathischer Arthritis (JIA, Gelenkrheuma im Kindes- und Jugendalter).
Wann liegt eine JIA vor?
Von einer juvenilen idiopathischen Arthritis darf ausgegangen werden, wenn an mindestens einem Gelenk eine länger als 6 Wochen dauernde Entzündung vorhanden ist, wobei es als Folge dieser Synovitis (Entzündung der Gelenkinnenhaut) zu einer Ergussbildung mit Überwärmung und schmerzhafter Bewegungseinschränkung an dem betroffenen Gelenk kommt. Zu beachten ist allerdings auch, dass es im Rahmen der JIA zu einer je nach Subtyp unterschiedlichen Mitbeteiligung anderer Organe (z.B. Augen, Herz) kommen kann.
Zu unterscheiden ist vor allem die reaktive Arthritis, die als Folge einer (viralen bzw. bakteriellen) Infektion in zeitlichem Abstand auftritt und einen selbstlimitierenden Verlauf ohne dauerhafte Gelenkschädigung aufweist.
Andere Krankheiten aus dem rheumatischen Formenkreis sind z.B. die rheumatischen Erkrankungen des Bindegewebes (Kollagenosen) oder der Gefäße (Vaskulitis). Es gibt aber auch andere, nicht-rheumatische Erkrankungen, welche mit Gelenkbeschwerden einhergehen können.
Wie häufig tritt die JIA auf?
Es wird von einem multifaktoriellen Geschehen ausgegangen, wobei angenommen wird, dass das Zusammentreffen einer gewissen genetischen Neigung mit bestimmten äußeren Einflüssen (z.B. Infektionen) diese Erkrankung auslöst.
Die Inzidenz (= die Häufigkeit von Neuerkrankungen pro Jahr) der juvenilen idiopathischen Arthritis beträgt international jährlich zwischen 2 und 20 Fällen pro 100.000 Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren. Untersuchungen in Deutschland ergaben eine Inzidenz von jährlich 4 bis 7 Fällen pro 100.000 Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren.
Bundesweit ist von ungefähr 4.000 bis 14.000 Kindern und Jugendlichen mit einer JIA auszugehen, bei geschätzten 1.000 Neuerkrankungen pro Jahr.
Wie ist die Prognose der JIA?
Die Prognose der JIA ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Hierbei spielen neben dem jeweiligen Subtyp sowie dem Schweregrad der Erkrankung die frühzeitige Diagnose und Therapieeinleitung eine entscheidende Rolle.
Insgesamt ist der Verlauf der JIA deutlich günstiger als der der rheumatoiden Arthritis der Erwachsenen. Es wird allgemein geschätzt, dass ca. 70 bis 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit einer JIA einen zufriedenstellenden Krankheitsverlauf ohne größere Beeinträchtigungen haben, wobei es allerdings auch Untersuchungen mit einer insgesamt weniger günstigen Prognose gibt.
Was wird durch die medikamentöse Therapie erreicht?
Durch Medikamente soll – abgesehen von einer schmerzlindernden Wirkung – die rheumatische Entzündung in den Gelenken beseitigt werden. Dadurch sollen röntgenologisch nachweisbare Gelenk- bzw. Knorpelzerstörungen verhindert bzw. positiv beeinflusst werden. Hierfür gibt es verschiedene Medikamentengruppen mit unterschiedlicher Wirksamkeit, wobei diese Medikamente entsprechend der Krankheitsaktivität der JIA verwendet werden:
- Nonsteroidale Antiphlogistika (NSAID), z.B. Diclofenac, Indometacin, Naproxen, Ibuprofen
- Krankheitsmodifizierende Medikamente, z.B. Hydroxy-/Chloroquin, Sulfasalazin
- Immunsuppressiva, z.B. Methotrexat, Azathioprin, Ciclosporin A
- erst seit jüngerer Zeit verfügbare Biotherapeutika, z.B. Etanercept, Abatacept, Tocilizumab
Der Einsatz von Cortisonpräparaten z.B. als lokale Gabe ist heutzutage in der Regel bestimmten Indikationen vorbehalten.
Welchen Nutzen hat die physikalische Therapie bzw. Ergotherapie?
Durch eine frühzeitige physikalische Therapie sollen Fehlstellungen an den Gelenken vermieden bzw. korrigiert werden. Diese Fehlstellungen entwickeln sich aufgrund entzündungsbedingter, schmerzentlastender Schonhaltungen. Durch die Ergotherapie können diese Fehlstellungen korrigiert werden, etwa mittels Hand- bzw. Fingerschienen. Eine zusätzliche Entlastung der Gelenke kann durch spezielle Hilfsmittel wie Unterarmstützen oder speziell angefertigte Roller bzw. Fahrräder erzielt werden.
Ergänzend sollte immer auch ein Training (z.B. spezielles Schreibtraining) und eine Beratung erfolgen, um die erkrankten Gelenke bei alltäglichen Verrichtungen schonend einzusetzen.
Welche Art von Beratung und Unterstützung ist zusätzlich möglich?
Die JIA ist eine chronisch verlaufende Erkrankung mit vielfältigen Einschränkungen der betroffenen Kinder und Jugendlichen, aber auch mit einer in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Belastung der betroffenen Familien. Zusätzlich zu allen medizinischen oder physikalischen Maßnahmen sollte deshalb auch immer eine ergänzende Betreuung und Beratung erfolgen. Beispiele hierfür sind Patient(inn)enschulungen durch spezielle Schulungsprogramme für rheumakranke Kinder und Jugendliche, regelmäßige Gesprächsgruppen bzw. verschiedene Selbsthilfegruppen, verschiedene Therapieformen inklusive Methoden zur Schmerzbewältigung.
Wichtig ist aber auch eine umfassende Beratung hinsichtlich entsprechender sozialrechtlicher Ansprüche (z.B. Behindertenausweis, steuerliche Vorteile) oder einer frühzeitigen Berufsvorbereitung.
Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit einer JIA erfordert die enge Zusammenarbeit verschiedener medizinisch und sozial tätiger Berufsgruppen, wobei die Organisation dieser Zusammenarbeit durch den / die kinderrheumatologisch versierte/n Arzt / Ärztin erfolgen sollte.
Kann die Erkrankung rheumakranker Kinder durch Ernährung positiv beeinflusst werden?
Anzustreben ist eine ausgewogene Ernährung mit einem für Kinder und Jugendliche ausreichenden Angebot an Eiweiß, Kohlenhydraten, Vitaminen und Spurenelementen. Da aus bestimmten tierischen Fetten Entzündungsstoffe im Körper entstehen, sollten diese Nahrungsbestandteile eher reduziert werden.
Entsprechend der Krankheitsaktivität (mit Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel und auf das Wachstum) ist gegebenenfalls eine spezielle Ernährungsberatung zu überlegen. Eine einseitige Diät ist auf jeden Fall zu vermeiden, da diese meist aus dem Erwachsenenbereich stammenden Diätempfehlungen häufig nicht den Bedürfnissen des kindlichen, wachsenden Organismus entsprechen.
Kann auch die "alternative Medizin" helfen?
Eine eindeutige, wissenschaftlich gesicherte Wirksamkeit der verschiedensten „alternativen“ Therapiemöglichkeiten liegt im Augenblick nicht vor. Falls allerdings keine Nebenwirkungen bzw. Unverträglichkeiten mit den rheumatologisch wirksamen Medikamenten zu erwarten sind, spricht nichts gegen ein Therapieverfahren (z.B. Akupunktur bei Schmerzsymptomatik). Die behandelnden Ärzte / Ärztinnen sollten über den Einsatz und die Art der verwendeten zusätzlichen Methoden informiert werden.
Sollte ein rheumakrankes Kind geimpft werden?
Impfungen sollten bei rheumakranken Kindern gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) durchgeführt werden.
Alle Kinder sollten eine Pneumokokkenimpfung erhalten, sowie jährlich gegen Influenza geimpft werden. Vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie (z.B. mit Methotrexat) sollte – falls zeitlich aufgrund der Schwere der Erkrankung möglich – ergänzend zu den Standardimpfungen eine Varizellenimpfung (Windpockenimpfung) durchgeführt werden, wenn vorher keine Windpocken auftraten, bzw. unauffällige Blutuntersuchungen für Windpocken vorliegen. Bei bereits begonnener immunsuppressiver Therapie kann während einer geplanten Therapieunterbrechung eine Varizellenimpfung ergänzend durchgeführt werden. Eine Impfung gegen Masern, Mumps oder Röteln sollte unter immunsuppressiver Therapie bzw. Cortisontherapie unterlassen werden.
Falls ein rheumakrankes Kind unter immunsuppressiver Therapie nicht gegen Windpocken geimpft ist oder diese vorher nicht bekommen hat, sollte unverzüglich nach Kontakt mit Varizellen der / die betreuende Arzt / Ärztin informiert werden, um abhängig vom Zeitpunkt des Erstkontaktes eine vorbeugende medikamentöse Therapie einzuleiten. Wichtig ist auch, den Impfstatus von Geschwisterkindern genau zu prüfen und entsprechend zu ergänzen.
Informationen der GKJR bzgl. SARS-CoV-2
Aufgrund der aktuellen Infektionslage mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 werden seitens der GKJR Informationen und Handlungsempfehlungen für Kinder und Jugendliche mit rheumatischen oder autoinflammatorischen Erkrankungen gegeben:
- Die Ständige Impfkommission hat ihre COVID-19-Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche (http://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2021-08-16.html) am 09.12.2021 (https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2021-12-09.html) und am 13.01.2022 (https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2022-01-13.html) aktualisiert. Es besteht eine Impfempfehlung (bei Verwendung eines für die jeweilige Altersgruppe zugelassenen Impfstoffes) für alle 12- bis 17-Jährigen (einschließlich Auffrischungsimpfung) und für 5- bis 11-Jährige Risikopatient(inn)en. Dieser Impfempfehlung schließt sich die GKJR an und empfiehlt, alle Kinder und Jugendlichen mit rheumatischen und autoinflammatorischen Erkrankungen ab dem 5. Lebensjahr gegen COVID 19 impfen zu lassen. In Ausnahmefällen kann es bei bestimmten medikamentösen Therapien zu einer Einschränkung des Impferfolges kommen. Dies sollte ggf. individuell mit dem / der behandelnden Kinderrheumatologen / Kinderrheumatologin besprochen werden.
- Informationen für Eltern und Patient(inn)en (pdf-Datei)
- Stellungnahme der GKJR zur Coronaimpfung (pdf-Datei – aktualisiert am 23.04.2021)
Können rheumakranke Kinder später gesunde Kinder bekommen?
Die JIA ist keine Erkrankung, welche mit einer genau zu bestimmenden Wahrscheinlichkeit direkt vererbt wird. Es besteht nach dem heutigen Wissensstand nur eine gewisse Neigung, an einer JIA zu erkranken, wobei andere Faktoren hinzukommen müssen, um diese Krankheit auszulösen. Deshalb ist das Risiko, dass weitere Geschwister an einer JIA erkranken, im Vergleich zu nicht betroffenen Familien nur wenig erhöht.
Es sollte aber vermieden werden, dass vor allem bei immunsuppressiv behandelten Mädchen unter der Therapie eine Schwangerschaft eintritt. Aus diesem Grunde sollte bei diesen Jugendlichen frühzeitig Möglichkeiten der Empfängnisverhütung besprochen und eingeleitet werden.
Eine Beeinträchtigung, später selbst Kinder zu bekommen, ist nur bei wenigen, selten eingesetzten Medikamenten (Cyclophosphamid, Chlorambucil) zu erwarten.
Worauf ist bei rheumakranken Kindern in der Schule zu achten?
Zunächst sollten Mitschüler*innen über die Art der Erkrankung und den damit verbundenen Beeinträchtigungen (z.B. Morgensteifigkeit, schubartiger Verlauf der Erkrankung) informiert werden.
In der Schule sollte eine zusätzliche Belastung der entzündeten Gelenke vermieden werden. Möglichkeiten für rheumakranke Kinder und Jugendliche hierfür sind Klassenzimmer im Erdgeschoss, Zugang zum Aufzug, Unterricht meist in demselben Klassenzimmer, Aufenthalt während der Pause im Klassenzimmer, ein zweiter Satz Schulbücher, Verlängerung der Zeit für Schulaufgaben bei beeinträchtigter Schreibfähigkeit oder Einsatz eines PC bei sehr schwerem Verlauf, frühzeitiger Förder- bzw. Sonderunterricht, gegebenenfalls auch Hausunterricht.
Eine besondere Bedeutung kommt dem Schulsport zu. Bei einer akuten arthritischen Symptomatik ist eine generelle Schulsportbefreiung notwendig. Bei Besserung der Entzündung sollten die Kinder die Möglichkeit haben, nach Rücksprache gezielt und ohne Benotung am Sportunterricht wieder teilzunehmen. Auch sollte der Sportunterricht am Ende oder am Anfang der Unterrichtsstunden stattfinden.
Bei Jugendlichen sollten auch frühzeitig Überlegungen zur späteren Berufswahl angestellt, und eine entsprechende Berufsberatung bzw. Praktikumsmöglichkeit gezielt eingeleitet werden.